Ilse Weber (1908-1984) ist eine Ausnahmeerscheinung und eine Einzelfigur in der Schweizer Kunstgeschichte. Sie gehört jener Generation von Künstlerinnen an, (Ilse Weber ist Altersgenossin von Meret Oppenheim), für die es noch keinen typischen Ausbildungs- und Karriereverlauf gab. Nach einem eher tastenden Berufseinstieg folgte relativ spät die offizielle Anerkennung. Von einem eher schwerblütigen Spätimpressionismus herkommend, suchte die Künstlerin immer mehr die Erfassung von Gedanken- oder Erinnerungsbildern und wollte zum Ausdruck bringen "was sie noch nie gesehen hat". Als um 1970 eine neue Generation von Kunstschaffenden an die Öffentlichkeit trat, rückte Ilse Weber unvermittelt ins Zentrum aktueller künstlerischer Diskurse. Die Gunst der Stunde wirkte sich stimulierend auf Ilse Webers Arbeit aus. Es entstand ein einzigartiges Spätwerk (die Künstlerin war damals bereits über 50 Jahre alt): ihr eigentliches Hauptwerk, in dem sie sich von jedem Vorbild löste und sich einer poetischen Subjektivität zuwandte. Neben der Ölmalerei gewannen die Zeichnung und das Aquarell grosse Bedeutung. Die Bildwelt bewegte sich in einer Balance zwischen dem herkömmlichen Sujet – Stillleben, Landschaft, Interieur – und einer traumhaften Realität. Die letzte Einzelausstellung von Ilse Weber fand 1992 im Kunsthaus Zürich statt. Die Ausstellung im Bündner Kunstmuseum ist seit dreissig Jahren die erste grosse Einzelausstellung der Künstlerin in einem Kunstmuseum, obwohl Ilse Weber in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten ist und nach wie vor hochgeschätzt wird, insbesondere von Künstlerinnen und Künstlern. Die Ausstellung im Bündner Kunstmuseum hat den Anspruch, einen repräsentativen Überblick zu geben über das Schaffen von Ilse Weber von ihrem künstlerischen Durchbruch 1960 bis zu ihrem Tod 1984. In acht Kapiteln wird sowohl in der Ausstellung wie auch im Begleitbuch eine neue Lesart dieses Werkes versucht. Neben Texten von Stephan Kunz, Elisabeth Bronfen und Romina Ebenhöch kommt in einem Gespräch mit den Kunstschaffenden Silvia Bächli und Rolf Winnewisser die hohe Relevanz von Ilse Weber für die jüngere Schweizer Kunst zum Ausdruck.