2020
In einer Präsentation von Katalin Deér und Lukas Furrer
Erica Pedretti ist eine Ausnahmeerscheinung in der Schweizer Kunst und Literatur. Neben ihren Erfolgen als Schriftstellerin hat sie als bildende Künstlerin ein eigenständiges Werk geschaffen, das in einzelnen Ausstellungen gewürdigt wurde, das heute aber neu entdeckt werden kann. Die Literatur und die bildende Kunst stehen im Schaffen von Erica Pedretti parallel nebeneinander und werden oft unabhängig voneinander wahrgenommen. Obwohl sich immer wieder aufschlussreiche Verbindungen und Verschränkungen offenbaren, rückt die Ausstellung im Bündner Kunstmuseum das bildkünstlerische Werk ins Zentrum und zeigt die verschiedenen Aspekte ihres Schaffens.
Erica Pedretti wurde 1930 in Sternberg (Nordmähren/Tschechien) geboren. Sie übersiedelte 1946 in die Schweiz. In Zürich liess sie sich zur Silberschmiedin ausbilden und schuf erste frühe kleinformatige Werke, die ihre leichten und luftigen Objekte der späteren Jahre vorwegnehmen. Nach einem längeren Aufenthalt in New York lebte sie mit ihrem Mann, dem Maler Gian Pedretti, und ihren fünf Kindern bis 1974 in Celerina, dann bis 2014 in La Neuveville am Bielersee und seither wieder in Celerina. Mit ihren «Flügelwesen» trat Erica Pedretti in den 1970er-Jahren erstmals als bildende Künstlerin an die Öffentlichkeit und entwickelte daraus eine grosse Familie von assoziationsreichen vogel- oder fischähnlichen Objekten. Diesen stellte sie skelettartige Strukturen gegenüber, die auf Wesenskerne reduziert scheinen. Parallel dazu entsteht ein äusserst feines zeichnerisches Werk, das den intimen und privaten Charakter dieses Schaffens betont und individuelle Bildwelten zu Tage fördert bis hin zu tagebuchartigen Notaten.
Die Ausstellung im Bündner Kunstmuseum erhebt den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über das bildkünstlerische Schaffen von Erica Pedretti zu zeigen. Sie vereint Arbeiten aus allen Schaffenszeiten seit den 1950er-Jahren und lässt eine Künstlerin neu entdecken, die uns heute höchst gegenwärtig erscheint. Für die Präsentation im Bündner Kunstmuseum konnten die Künstlerin Katalin Deér und der Architekt Lukas Furrer gewonnen werden. Sie haben eine eigene Struktur in den Ausstellungsraum gebaut und so einen spezifischen Rahmen für die fragilen Werke geschaffen. Damit verbindet sich die Kunst von Erica Pedretti auf besondere Weise mit dem Ort ihrer Präsentation. Der architektonische Raum und das bildnerische Werk treten in der Choreographie von Katalin Deér in einen einzigartigen Dialog, so dass das künstlerische Schaffen von Erica Pedretti auf eine andere Weise gesehen werden kann: «fremd genug» soll es erscheinen und sich einem neuen Blick erschliessen.